XXXXXXXXXXXXSustainable Finance – Wie Banken nachhaltig wachsen können

17. September 2020
Kapitalgeber verlangen verstärkt Auskunft darüber, was mit ihrem Vermögen bewirkt wird und welche Auswirkungen ihre Investitionen auf ESG-Aspekte haben. Auf dem schnell wachsenden Markt für Sustainable Finance sind die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft. Mit den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (UN), den Pariser Klimazielen und dem „Green Deal“ der EU-Kommission für ein klimaneutrales Europa bis 2050 ist nachhaltige Finanzierung weit nach oben auf der Prioritätenliste von Banken, Asset Managern und Versicherungen gerückt.
Strategien müssen zeitnah an den Kriterien für Nachhaltigkeit (Environmental, Social, Governance – ESG) ausgerichtet werden, da Sustainable Finance alle Bereiche der Finanzindustrie – vom Kunden über passende Produkte bis hin zur notwendigen Neuausrichtung bankinterner Strategien und Prozesse – umfasst. Das gesamte Finanzsystem steht vor einem fundamentalen Wandel. Banken laufen Gefahr, ihre Licence to operate zu verlieren und für Kunden irrelevant zu werden.
Banken als Treiber der Transformation
Banken stehen vor der Herausforderung, den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel, der durch die Corona-Krise noch weiter beschleunigt wird, verantwortungsvoll zu begleiten. Sie können einen wesentlichen Beitrag zum Strukturwandel der Realwirtschaft und zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten, indem sie sich zeitnah im Markt für Green Finance positionieren und Kapitalströme so leiten, dass sie einen positiven Einfluss im Sinne der ESG-Kriterien haben.
Einheitliche Rahmenbedingungen und Standards haben eine wesentliche Bedeutung für eine erfolgreiche nachhaltige Transformation.
Von diesen Entwicklungen sind alle Branchen, wenn auch in unterschiedlicher Schwere, betroffen. Auch die Banken und ihre kritischen Infrastrukturen sind derzeit mit speziellen Herausforderungen konfrontiert. Zum Geschäftsmodell eines jeden Finanzdienstleisters gehört es, vorausschauend zu handeln, Vorkehrungen zu treffen, sich im Sinne der Kundinnen und Kunden auf das Schlimmste vorbereiten. Das sieht auch die Bafin so, die sich angesichts der Corona-Krise nach eigenen Angaben „in engem Austausch mit Banken und anderen Finanzmarktakteuren über eventuelle Reaktionen und Notfallpläne“ befindet und dabei „fortlaufend die weitere Entwicklung und mögliche Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft“ analysiert.
Finanzinstitute müssen interne und externe Faktoren im Blick haben
Aktuell handelt es sich bei zahlreichen ESG-Regelungen um Rahmenverordnungen, die noch durch weitere Rechtsakte konkretisiert werden müssen.
Das EU-Klassifizierungssystem (Taxonomie) für grüne Investments, das Merkblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor sind wichtige Bausteine für den erfolgreichen Ausbau eines nachhaltigen Finanzsystems. Zusätzliche Anreize zur Realisierung eines nachhaltigen Finanzsystems können auch Instrumente wie ein „Green Supporting Factor“ liefern. Hierfür benötigte Eigenkapitalerleichterungen bei der Vergabe grüner Kredite sind aber auch an Verbesserungen in der Datennutzung und Methoden zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken gebunden.
Das Besondere der Regulierungen besteht darin, dass sie die Kreditinstitute als Ganzes betreffen werden. Während Regulierungsvorhaben der EU bislang auf bestimmte Bereiche des Bankgeschäfts bzw. der Bankorganisation abzielten (MiFID II -> Wertpapiervertrieb, EMiR/MiFIR -> Derivategeschäft, Prospekt-Verordnung -> Emissionsgeschäft; CRR/CRD -> Treasury und IKS), wirkt sich das Maßnahmenpaket des EU-Aktionsplans auf sämtliche Bereiche der Bankenwertschöpfungskette aus. Dies stellt die Kreditwirtschaft vor große Herausforderungen. Nach derzeitiger Planung sollen bereits Anfang 2021 die ersten Umsetzungspakete EU-weit in Kraft treten.
Grundlage: Nachhaltigkeit wird definiert
Nachhaltigkeit ist ein weiter Begriff. Der Aktionsplan sieht daher vor, eine EU-weite Klassifizierung (Taxonomie) zu schaffen, die sich zunächst auf die ökologische Nachhaltigkeit konzentriert. Die von der EU-Kommission eingesetzte Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG) hat hierzu im Juni 2019 einen über 400 Seiten langen Bericht vorgelegt, der Vorschläge für eine Taxonomie-Methodik enthält. Die Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit soll somit messbar werden.
Daneben ist der Begriff der Nachhaltigkeit auch in der Offenlegungs-Verordnung (VO (EU) 2019/2088) von zentraler Bedeutung (veröffentlich am 9. Dezember 2019 im EU-Amtsblatt). Dadurch werden Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater zu größerer Transparenz im Bereich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Die Offenlegungs-VO beschränkt sich im Unterschied zur Taxonomie-VO nicht nur auf die ökologische Nachhaltigkeit, sondern umfasst auch weitere, insbesondere soziale Aspekte der Nachhaltigkeit.
Durch die Regulierung von CO2-Benchmarks will die EU-Kommission einen weiteren Standard etablieren. Die gegenwärtig verfügbaren Indizes für CO2-arme Investitionen verfolgen unterschiedliche Ziele. Viele der aktuellen Referenzwerte zielen darauf ab, den CO2-Fußabdruck eines Standardanlageportfolios (lediglich) zu verringern. Immer mehr neue Finanzprodukte tragen aber dazu bei, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Um einem Wildwuchs in den Mitgliedstaaten entgegenzuwirken, will die EU-Kommission einheitliche Standards für Methodik und Transparenz von CO2-Benchmarks schaffen. Die Benchmark-VO (VO (EU) 2016/1011) wurde entsprechend durch die am 9. Dezember im EU-Amtsblatt verkündete CO2-Benchmark-VO (VO (EU) 2019/2089) angepasst.
Um nachhaltiges Investieren zusätzlich zu vereinfachen, sollen zudem besondere Kennzeichen für nachhaltige Produkte eingeführt werden. Als Prototyp soll ein EU-Standard für sogenannte Green Bonds dienen. Zu diesem Zweck hat die TEG zehn Empfehlungen und Schlussfolgerungen für einen Standard vorgelegt.
Vermögensanlage: Nachhaltige Produkte sollen sie prägen
Im Anschluss an die Klärung der Frage, welche Finanzprodukte als nachhaltig anzusehen sind, geht es darum, Kapital entsprechend umzuleiten. Der Aktionsplan sieht vor, dass Berater und Vermögensverwalter ihre Kunden fragen müssen, ob sie nachhaltige Anlagen präferieren. Bejaht der Kunde diese Frage, ist dies bei jeder Anlageempfehlung zu berücksichtigen. Regulatorisch umgesetzt wird dieser Ansatz über Änderungen der Level 2-Verordnungen zur MiFID II und zur IDD.
Risikomanagement: Nachhaltigkeitsrisiken müssen berücksichtigt werden
Der Aktionsplan fordert, dass im Risikomanagement von Kreditinstituten, Versicherungen, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Ratingagenturen alle Risiken berücksichtigt werden, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und aus sozialen Problemen (gesamtheitlich ESG-Risiken) ergeben. Die Einbeziehung von Erwägungen zu Sustainable Finance nimmt deshalb auch im Bankaufsichtsrecht Fahrt auf:
- Die EBA hat am 6. Dezember 2019 einen Aktionsplan für nachhaltige Finanzierung vorgelegt, der das Maßnahmenprogramm der EBA für die kommenden Jahre bis 2025 enthält.
- Die BaFin hat am 20. Dezember 2019 ihr Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Nach Ansicht der BaFin ist innerhalb der Unternehmen eine „top down“– Befassung – d.h. vom Vorstand bis in die Abteilungen – und damit eine strategische Befassung der Geschäftsleitung mit Nachhaltigkeitsrisiken innerhalb der Geschäfts- und Risikostrategie erforderlich. Die Institute sollen ein Verständnis für signifikante Nachhaltigkeitsrisiken und deren Charakteristika sowie deren mögliche Auswirkungen auf das eigene Geschäft entwickeln.
Zwar formuliert das BaFin-Merkblatt zunächst nur „weiche“ Anforderungen, die lediglich als Orientierungshilfe bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Risikobetrachtung dienen sollen. Es ist allerdings abzusehen, dass die Empfehlungen des BaFin-Merkblattes in den laufenden europäischen Regulatorik-Prozess einfließen werden.
Transparenz: Fragen der Nachhaltigkeit sollen in Unternehmensberichten transparent werden
Die EU-Kommission will auch die Transparenz über Nachhaltigkeit in der Unternehmensberichterstattung und -führung fördern. Zu diesem Zweck wurden EU-Leitlinien zur klimabezogenen Berichterstattung im Rahmen der Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen veröffentlicht. Danach soll ein Unternehmen über klimabedingte Chancen und Risiken informieren, die sein Geschäftsmodell beeinflussen können. Die Leitlinien sind bisher unverbindlich und schaffen keine rechtlichen Verpflichtungen.
Der finale Kompromiss zur Taxonomie-VO sieht aber verbindliche Publizitätspflichten für bestimmte Unternehmen vor. Zudem will die EU-Kommission untersuchen, ob es durch den Kapitalmarkt einen unangemessenen Druck auf Unternehmen gibt, sich auf kurzfristige Rendite zu konzentrieren und dabei die Nachhaltigkeitsfaktoren zu vernachlässigen. Am 18. Dezember 2019 haben EBA, ESMA und EIOPA hierzu Berichte vorgelegt, die eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen enthalten und zu einer weiteren Beobachtung raten.
Ausblick: Das Tempo erhöht sich
Die EU-Kommission hat eine Vielzahl von (regulatorischen) Projekten angestoßen, um das Ziel eines nachhaltigen Wachstums zu erreichen. Auch die EZB und nationalen Notenbanken denken bereits darüber nach, wie sie die Nachhaltigkeit mit ihren Mitteln weiter fördern können. Kürzlich veröffentlichte das Network for Greening the Financial System (NFGS), dem seit 2017 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden angehören, einen ersten Bericht über Handlungsempfehlungen für Aufsichtsbehörden.
Auf nationaler Ebene ist der Sustainable Finance-Beirat geschaffen worden, der die Bundesregierung bei der Erarbeitung einer entsprechenden Strategie beraten soll. Vor dem Hintergrund der rasch voranschreitenden Erderwärmung erscheint dieser Prozess als politisch unumkehrbar.
Fazit: Sustainable Finance muss ganzheitlich betrachtet werden!
Angesichts des umfassenden Regulierungsansatzes der EU werden Banken und Sparkassen das Thema „Sustainable Finance“ nicht mehr in einzelnen Silos behandeln können. Wir raten unbedingt zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise aller Chancen und Risiken für das eigene Geschäftsmodell. Nur so lassen sich die erforderlichen Schnittstellen zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen und den Controlling-Funktionen (Risk, Compliance, Revision) bilden. Banken können ihre Wettbewerbsfähigkeit gar stärken, indem sie sich frühzeitig in dem rasch wachsenden Markt für Sustainable Finance positionieren und ihre Geschäftsmodelle konsequent an den Kriterien für Nachhaltigkeit ausrichten. Die Berater von Bersch Consulting stehen Ihnen sowohl bei regulatorisch notwendigen Anpassungen als auch bei der Neuausrichtung hin zu einem nachhaltig agierenden Unternehmen tatkräftig zur Seite.