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Die Schlüsselrolle der Banken in der Krisenbewältigu

23. März 2020
Ist Purpose nur ein neuer Marketing-Gag? Oder doch ein echter Gradmesser für das eigene Handeln? Besonders in Krisenzeiten trennt sich bei Banken die Spreu vom Weizen: Nur, wer den Worten Taten folgen lässt, wird im Markt bestehen.
Larry Fink, CEO von Blackrock, schrieb jüngst in seinem Brief an die Unternehmensleiter:
„Die nicht von der Hand zu weisenden Klimarisiken zwingen Anleger, ihre zentralen Annahmen zur modernen Finanzwirtschaft zu überdenken. … ich bin überzeugt, dass wir vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen…. Früher als von den meisten erwartet, wird es zu einer erheblichen Umverteilung von Kapital kommen.”
Neben der Klimakrise gilt auch für die Corona-Krise: Je mehr Krisen zum Anlegerrisiko werden, desto direkter sind auch Banken und Finanzdienstleister mit ihren Geschäftsmodellen betroffen. Welche Risiken lauern in den Bilanzen der Unternehmen? Wie lassen sich diese Risiken absichern? Vielleicht noch entscheidender: Welches Verhalten wird von den Kunden und der Gesellschaft künftig noch akzeptiert? Welche Entscheidungen sind nötig, um als Bank attraktiv zu bleiben und somit die Basis für künftiges Geschäft zu sichern?
Gesellschaftliche Risiken im Fokus
Wie schnell man als Unternehmen zum Feindbild von Gruppe wie Klimaaktivisten, Jugendlichen oder Politikern wird und letztlich auch auf den Radar der Investoren gerät, zeigt der Fall Siemens. Der Konzern entschied sich entgegen den Forderungen der Klimabewegung “Fridays for Future” die Bahntechnik für ein Kohleminenprojekt des Adani-Konzerns in Australien zu liefern. Die Klimaaktivisten fordern, dass Siemens den Umweltschutz nicht auf einen Corporate Sustainability Report beschränkt. Das Unternehmen soll sich aus einzelnen Geschäften und Investments bewusst und öffentlich nachvollziehbar zurückziehen.
Im Bereich der Waffenproduktion setzt sich die Organisation PAX for Peace für den Ausstieg aus Geschäften mit Nuklearwaffen und Streubomben ein. Pax for Peace veröffentlicht Negativ-Listen von Banken und Finanzdienstleistern, die Unternehmen, welche in die Produktion dieser Waffenarten involviert sind, Finanzmittel zur Verfügung stellen. Finanzinstitute haben in diesem Bereich ihr Engagement bereits deutlich verringert und somit Druck auf die Hersteller ausgeübt, sich aus der Streubombenproduktion zurückzuziehen. Es kann also funktionieren, über das Finanzwesen einen Hebel zu erzeugen, der Veränderungen auslöst. Statt künftig auf Druck zu reagieren liegt eine Chance darin, gesellschaftlichen Wandel durch die Finanzwelt proaktiv auszulösen.
Rasche Entscheidungen gefragt
Wie dann also den Schritt vom Reden zum Handeln wirklich zügig vollziehen? Das Weltwirtschaftsforum in Davos hat es jüngst wieder gezeigt: Der Wille der Finanzwelt ist erkennbar, die nötigen Entscheidungen folgen jedoch nicht automatisch. Profit und Purpose haben sich hier noch nicht synchronisiert und prallen teilweise aufeinander.
Vielleicht ist den Entscheidern auch nicht klar, wie sie mit den sich ständig verändernden Anforderungen einer zunehmenden Zahl von Stakeholdern umgehen sollen. Das ist ein Zeichen dafür, dass es einen klarer Indikator für Handeln im komplexen Umfeld braucht. Die vorhandenen Visionen oder Mission-Statements reichen nicht aus. Auch eine Zweck-Formulierung, die von außen im Sinne einer Marken-Differenzierung entwickelt wurde, hilft in der Regel nicht weiter.
Purpose als Gradmesser
Wie also sieht die Lösung aus? Es geht darum einen Sinn und Zweck zu finden, an dem sich das Handeln der Bank tatsächlich ausrichtet. Ein solcher Purpose entsteht von Innen, ist in der gesamten Organisation bekannt und dient als evolutionäres Zentrum, um das herum sich alles stetig weiterentwickelt. Frederick Laloux, Autor des Buchs „Reinventing Organizations“, beschreibt dies als „Evolutionary Purpose“: Einen Sinn und Zweck, in den man hineinhören kann, der die Interessen von Mitarbeitern und Kunden ebenso wie von Analysten und Aktivisten vereint – und, anhand dessen es leicht fällt zu entscheiden, was man tut und was man sein lässt.
Ein solcher Purpose wirkt auf zwei Arten:
- Er stellt sicher, dass die Organisation für ihre Stakeholder relevant bleibt. Er ist die Grundlage für die intrinsische Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter und liefert eine Antwort auf die Frage: „Wie viel Zeit, Energie, Vorstellungskraft und Identität möchte ich tatsächlich in diese Organisation investieren?“
- Er bietet eine Orientierung für die gesamte Organisation, da Entscheidungen plötzlich leichtfallen, sich über die Teams und Abteilungen Zusammenarbeit ausbreitet und auch die Grenzen, wann „Nein“ gesagt werden muss, klar werden.
Nur Wunschdenken oder graue Theorie?
Schon zahlreiche Unternehmen wie zum Beispiel das Industrieelektronikunternehmen S.I.E. (Österreich), der Taschenhersteller FREITAG (Schweiz), die Gutmann Aluminium Draht GmbH (Deutschland) oder auch die Postfinance (Schweiz) sind erst jüngst auf neue Leadership-Modelle mit Purpose-Orientierung umgestiegen. Es zeichnen sich jeweils zwei Kernfragen ab:
- • Wirkung (Impact): Wofür brauchen die Stakeholder eine Bank?
- • Beitrag (Contribution): Was verändert sich durch die Leistung der Bank in der Welt der Stakeholder?
Voraussetzungen, um in diesen Prozess einzusteigen, sind ein Management, das bereit ist, eine neue Führungsrolle anzunehmen, sowie eine grundsätzliche Offenheit, sich mit den Bedürfnissen der Stakeholder auseinanderzusetzen. Der Nutzen kann groß und auch messbar sein: Mehr als 90 Prozent der Purpose-getriebenen Unternehmen erzielen Wachstum und Gewinne über Branchendurchschnitt. Auch weitere, einschränkende Gesetze lassen sich möglicherweise vermeiden. „Wenn wir nicht genügend grüne Investitionen tätigen und finanzieren, droht der Branche eine weitere Runde an Regulierungen“, sagte zum Beispiel kürzlich Axel Weber, Verwaltungsratschef der Schweizer Großbank UBS.
Die Chance: Den Wandel aktiv vorantreiben
Greta Thunberg kritisierte bei einem ihrer Auftritte in Davos: „Ihr sagt, Kinder sollten sich keine Sorgen machen. Ihr sagt, ‚überlasst das einfach uns, wir werden das regeln‘. Und dann? ‚Nichts‘.“ Ausgerichtet an einem evolutionären Purpose, können Banken die Sprachlosigkeit der Wirtschaft beenden. Wer die Wirkung im Blick hält und einen klaren Beitrag zur Lösung der aktuellen Herausforderungen nachweist, kann in die öffentliche Diskussion einsteigen und seine Rolle in der Gesellschaft neu verankern. Wann, wenn nicht jetzt, ist die Zeit, um sich als Bank an dem eigenen evolutionären Purpose auszurichten?